Der Wahn Rhels
Rhel erwachte. Es schien ihm eine Ewigkeit vergangen zu sein. Er konnte sich nur noch an den Kampf gegen Lley, einem Schattenelf von den Sanguinklippen, erinnern.
Er hatte Lley tagelang verfolgt, da der Schattenelf wichtige Informationen der Lichtelfen Ratsversammlung gestohlen hatte, um sie wahrscheinlich der Schattenfront zu übergeben, den schlimmsten Feinden der Lichtelfen, und DAS wäre unverzeihlich. Deshalb hat man Rhel, einen erfahrenen Krieger und Fährtenleser, losgeschickt um Lley zu finden und zu töten.
Lley´s Tarnung war perfekt gewesen, denn niemand hatte bemerkt, dass er ein Hochstapler war, da er sich nämlich als Abgesandter der Lichtelfen aus dem Norden vorgestellt hatte. Dennoch flog seine Tarnung nach einer Weile auf und Lley floh aus der Siedlung der Lichtelfen des Tales.
Rhel war seiner Spur gefolgt, hatte Abkürzungen genommen und Lley aufgelauert, aber vergebens, der Schattenelf war ihm immer entkommen.
Rhel war ihm durch das Land Regnum gefolgt, folgte ihm durch den Namenlosen Wald... es ging auch durch die Sümpfe Ragnars bis hin zu den Schattenpässen im Drachengebirge. Von da an gab es zwei Wege : Einen zum Land der Schattenfront, wo die diabolischen Hexer, Dämonen und andere Bestien lebten; der Andere führte zu einem langen Weg bishin zum Reich Legoant, dem Schattenelf Tal. Kurz vor dieser Weggabelung gab es ein Felsplateau, und genau da lauerte Rhel Lley auf. Sie trafen auf einander und kämpften verbittert. Das erinnerte Rhel daran, dass er nicht wusste, ob er Lley getötet hatte.
Es war völlig dunkel. Rhel nahm an, dass er sich immer noch auf dem Felsplateau befand und untersuchte nur den Boden.Vorsichtig lief er herum, die Hände tastend am Boden. Der Boden fühlte sich komisch an... So glatt... Plötzlich stieß Rhel an einen Widerstand. Er tastete ihn ab und kam zu dem Entschluss, dass es sich um eine Leiche handelte. Auf einmal gingen rundherum Fackeln an, das grelle Licht blendete Rhel, weswegen er seine Hände schützend vor seine Augen hielt. „ Ahhh... Dieses Licht!“, rief er und sein Echo hallte ihm in den Ohren.
Er nahm die Hände von den Augen und betrachtete die runde Halle, in der er sich befand.
„Wo bin ich?“, fragte er stutzig. Ringsum ihn herum waren an den Wänden Fackeln angebracht, ihre Flammen tanzten unruhig. Ein ungutes Gefühl zwang ihn sich die Leiche zu seinen Füßen anzusehen. Er erschrak. Rhel riss ungläugib die Augen auf und fing an zu zittern. „Das... das... kann einfach nicht war sein... Ich... ich...“, wimmerte er und betrachtete die Leiche. Das Gesicht, umrahmt von schwarzen Haaren, mit den blau angelaufenen Lippen, den leblosen blauen Augen, das Gesicht, was völlig zerfetzt war... blutüberströmt... Rhels Blick glitt über den Körper der Leiche: Die Brust war von einem blutdurchtränkten Umhang verdeckt, die Kehle aufgeschlitzt, getrocknetes Blut haftete an der ledernen, schwarzen Kluft, die weißen, toten Hände klammerten sich an ein blutiges Schwert, die Beine sahen so aus also ob sie einfach mutwillig gebrochen worden waren... Es war grauenhaft. Es war widerlich. Der Körper vor ihm war nicht der Körper Lley´s...
Nein.
Es war....
Rhels Körper.
Sein eigener Körper.
Zerfetzt.
Leblos.
Tot.
Und doch stand Rhel, er selbst, vor seiner eigenen Leiche.
Er konnte es nicht fassen.
Er brach zusammen und weinte, er heulte vor Wut und Unverstand. Er schlug auf den Boden ein bis seine Tränen versiegten. Seine Hände tasteten sich sein Gesicht entlang. Es war glatt... normal und vollständig... Sein Blick glitt seinen Körper herab: Er trug einen langen, schwarzen Kapuzenumhang der ihn vollständig einhüllte. Einen Gürtel trug er auch. An ihm war ein blutroter Dolch befestigt und sein Schwert Ilreon, Frostklinge, das auch zwischen den verkrallten, toten Händen steckte. Rhel blickte ihn eine Tränenlache und besah sich sein Geischt. Seine Augen waren schwarz, völlig schwarz,wie die Finsternis. Sein Gesicht war weiß, fast so wie das Gesicht eines Vampires. Seine schwarzen Haare, die spitzen Ohren und sein blutleerer Mund mit den länglichen Fängen ließen einen wirklich glauben er sei ein Vampir. „Ich bin doch kein Vampir geworden?!“, fragte er und erstarrte. Er verzog sein Gesicht zu einer dämonischen Fratze und bleckte die Zähne. Dann zog er Ilreon und legte es sich an die Kehle. „Ich will kein Vampir sein! Lieber sterbe ich!“, zischte er wahnsinnig und schloss die Augen.
Dann holte er mit der Klinge aus und wollte sie mit rasender Wut in seine Kehle rammen, als plötzlich eine weiße Hand die seine packte und ihm das Schwert entwendete.
„Nein, du bist kein Vampir... Aber leben tust du auch nicht. Komm folge mir“, wisperte die Gestalt freundlich und zog Rhel auf die Beine, Rhel ließ es geschehen. Er fing wieder an zu schluchzen, die Gestalt tröstete ihn, indem sie ihn zärtlich die Schultern streichelte.
Rhel blickte sie weinend an: Sie war ganz in ein weißes Kleid gehüllt, das dünner und feiner als Seide zu sein schien, lange, schwarze Haare fielen ihr wie ein Wasserfall die Schultern herab, ein weißes Gesicht mit strahlend blauen Augen, einem schönen roten Mund, und spitze Elfenohren zierten ihren Kopf. Sie trug einen goldenen, glänzenden, von Licht erfüllten Schwertanhänger, einen weißen Gürtel mit einem langen Dolch daran. Der Dolch glitzerte im Schein der Fackeln, er schien aus purem Kristall gemacht zu sein, bis auf den Griff aus Saphiren. Lange schaute Rhel in die Augen dieser Frau und schöpfte aus ihrem freundlich erwiderten Blick Hoffnung.
„Du bist Saceria, die Göttin der Lichtelfen!“, rief Rhel nach einer Weile. „ Ja, so nennt man mich... und du bist Rhel, der leider bei seinem wichtigen Auftrag gestorben ist... So, setz dich auf den Boden, Rhel...“, sprach sie mit klarer Stimme und setzte sich auf einen Thron aus Diamanten, verziert mit Rubinen, Saphiren, Smaragden und Topas. Fasziniert ließ sich Rhel neben ihren Füßen nieder. Sie hatten die ganze Halle durchschritten, und da wo die Leiche Rhels eigentlich gelegen hatte war nichts mehr.
„Wo...?“
„Sie wurde deiner ursprünglichen Welt zurückgegeben... Du befindest dich hier in meinem Totenreich. Weißt du, es ist eine besondere Ehre, dass du noch einmal einen Körper bekommst und das nur weil ich, als Göttin der Lichtelfen, nicht möchte, dass mein Volk zerstört wird... Du sollst also, bevor du ewige Ruhe finden wirst, den Schattenelfen Lley finden... aber nicht töten! Verwunde ihn mit diesem Dolch...“, sagte sie leise und deutete auf den blutroten Dolch an der Seite Rhels.
„Sobald du Lley damit verwundet hast, wird er alles vergessen haben und fortan unter Tieren in Verbannung leben. Und du, du wirst diesen Leih-Körper verlassen und dein Geist wird wieder zu mir zurückkehren... Dann kannst du fortan in meinem Geisterpalast leben und mir dienen...“
„Herrin, ich werde Euch nicht enttäuschen! Wann soll ich aufbrechen?“, fragte Rhel demütig.
Es war komisch tot zu sein und doch in einem fremden Körper zu leben. „Schliess die Augen, Rhel! Du brauchst keinen Schlaf mehr, auch keine Nahrung... Aber du brauchst Blut... Ansonsten verlierst du diesen Körper!“, rief sie und Rhel spürte in sich eine gähnende Leere.
Rhel stand auf. Er befand sich wieder in seiner alten Welt, und zwar auf dem Felsplateau. Mit einer unbewussten Eingebung wusste er plötzlich alle möglichen Geheimnisse, wusste wo Lley sich befand und wie er zu ihm kam. Es war eine göttliche Macht die ihn überkam... In seinen schattenhaften Umhang gehüllt lief er los. Er wusste nun, dass sich Lley in Legoant, dem Schattenelfen Reich befand. Wahrscheinlich planten die Schattenelfen einen Angriff auf die Lichtelfen und die gestohlenen Informationen kamen ihnen gerade recht. Tag für Tag marschierte Rhel unermüdlich durch Sümpfe, verdorrte Wälder, über verstaubte Straßen und durch dunkle Städte. Die Schattenelfen waren arm... sehr arm, weil ihr Herrscher Neogant ein Tyrann war. Er stattete seine Edelleute und Soldaten mit Waffen aus, mit Nahrung und gab den Armen nichts. Er beutete sie aus... Das war alles. Rhel lief ungesehen an Wachen vorbei, stillte an toten Tieren seinen Blutdurst und mit seinen unergründlichen, neuen, schwarzen Augen konnte er nachts perfekt sehen. Einmal kam er des nachts an einem Heereslager der Schattenelfen vorbei, doch niemand sah ihn, außer ein paar Wachen am Rande des Lagers, diese streckte er jedoch mühelos nieder.
Und dann war er da.
Das wusste er.
Vor ihm lag ein kleines Lager, mit einem Zelt aus Lumpen und einem kleinen Feuer.
Er spürte, dass Lley da war. Er roch es förmlich. Seine scharfen Augen weiteten sich, seine Fänge knirschten aufeinander... Seine Hände packten den Griff des Blutdolches fest...
Und dann kam Lley auch schon. Er riss die Augen auf und zog sein Zweihandschwert. Der Schattenelf trug nur eine leichte, schwarze Rüstung, sein Kopf war ungeschützt. „WAS WILLST DU, Bestie?! Komm her, wenn du dich traust!“ Mit wilden Schwertgefuchtel näherte sich Lley. Die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Rhel starrte ihn für einen Moment ausdruckslos an, dann sprach er zornig: „ Ich will mich nur rächen! Und im Auftrag der Göttin werde ich dich außer Gefecht setzen!“ „ Niemals! Nie wirst du mich besiegen! Nie!“ Rhel jedoch lachte hämisch: „Dein Mörder heißt Rhel, merk dir das....Und nun: STIRB!“
Damit schnellte Rhel nach vorne und stach zu. Eigentlich wäre sein Auftrag damit beendet, aber er stach trotzdem immer weiter auf Lley ein. Gurgelnde Laute kamen aus dessen Mund, er verdrehte die Augen, und aus seinen Wunden schoss Blut. In wildem Zorn tötete Rhel ihn unter Qualen. Er pfiff auf das, was die Göttin ihm befohlen hatte, es war ihm egal...
Er war praktisch unsterblich!
Er war ein Gott.
„ICH BIN EIN GOTT, MERK DIR DAS! WUHAHAHAHAHWUAHAHA!!“, mit einem irren Lachen breitete er die Arme aus und zerfleischte die Leiche Lley´s. Die Göttin wurde zornig, sehr zornig... Rhel hingegen begann als Gott die Welt zu vernichten, selbst die Lichtelfen mussten daran glauben... und schliesslich als nur noch wenige Völker lebten, darunter die Menschen, die Elfen, die Zwerge und die Dämonen, wurde ihm klar, dass Völker zu vernichten auf Dauer gar nicht so spannend war... Er hatte sich viel mehr in den Kopf gesetzt, dass Saceria seine wahre Feindin war... deshalb beschloss er sie zu töten...
„SACERIA, ICH BESCHWÖRE DICH! KÄMPFE GEGEN MICH! ICH, RHEL , GOTT DES UNTERGANGS, FORDERE DICH HERAUS!“ Und mit diesen Worten versammelte er um sich Dämonen, Vampire, Drachen, böse Elfen, Hexer und andere dunkle Geschöpfe. Saceria hingegen nahm alle guten Wesen in ihre Armee, um dem Spuk ein Ende zu bereiten.
Sie bereute es Rhel auf die Mission geschickt zu haben, obwohl er anfangs nicht so böse war...
Es war ein dunkler Tag. Schatten umspinnten die einst friedliche Welt aller magischen Geschöpfe... An diesem schattigen Tag kämpften um Rhel und Saceria ihre Heere.
Sie selbst fochten in der Geisterwelt einen unerbittlichen Kampf...
Saceria hatte ihren Dolch gezogen und schritt bedächtig um Rhel herum. „ Wieso musste es so kommen? Wieso bist du dem Wahnsinn verfallen?“, fragte sie traurig. Rhel hingegen verzog den Mund zu einem frostigen Lächeln und sprach höhnisch: „ Ach... manchmal ist der Wahnsinn ein Freund....und für dich ist der Tod ein Freund... Los geh in den Tod! Ich kann die Völker dieser Welt alleine beherrschen...“ „ Ich hätte dir nicht helfen sollen...nie...“
Rhel zog seinen Blutdolch und die Frostklinge Ilreon und parierte die Schläge Sacerias. Sie konnte nicht gut kämpfen. Bald erlag sie den Stichen Rhels...
Tage vergangen und die Götter ermüdeten kaum... Genau als Saceria von Rhel tödlich getroffen wurde, gab der Dolch von ihr die in ihm gespeicherten Machtquellen frei und verletzte auch Rhel tödlich. Da Licht für ihn schädlich war, da er ja nun ein Gott der Finsternis war, starb er unter Qualen. Saceria starb jedoch friedlich. In dem Moment wo die Götter starben, hörten alle auf zu kämpfen, sie brachen zusammen und weinten, Feinde Arm in Arm.
Ein neues Zeitalter begann.
Das Zeitalter ohne Götter. Rhels Wahnsinn war vergangen. Wie aus einer kleinen Aufgabe eine so verheerende Katastrophe wurde bleibt allen ein Rätsel.
FINIS
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